- Pilze
- Pilze[althochdeutsch buliz, von lateinisch boletus »Pilz« (besonders Champignon), von gleichbedeutend griechisch bōlítēs], Mycophyta, Gruppe des Pflanzenreichs mit mehr als 100 000 bis heute bekannten Arten, die zu den Thallophyten zählen. Alle Pilze haben einen echten Zellkern und sind somit Eukaryonten. Da ihnen Chlorophyll fehlt, sind die Pilze heterotrophe Parasiten bei Pflanzen, Tieren und Menschen oder Saprophyten auf toten Organismen (Tiere und Pflanzen) beziehungsweise auf zersetzter organischer Substanz. Als Reservestoffe speichern sie Glykogen und Fett, als Zellwandsubstanz herrscht Chitin vor, nur bei wenigen Arten (z. B. Oomycetes und Schleimpilze) ist auch Cellulose nachgewiesen. - Die Echten Pilze (mit den Algenpilzen, Ständerpilzen und Schlauchpilzen) umfassen 99 % aller Pilzarten. Die Bedeutung der Schleimpilze und der Urpilze ist gering. - Die Vegetationskörper der Pilze bestehen in der Regel aus Hyphen, die zu einem Myzel verflochten sind; echte Gewebe fehlen völlig. Algenpilze und Jochpilze (»niedere Pilze«) leben im Wasser oder zumindest in feuchter Umgebung. Zahlreiche Arten sind Erreger von Pflanzenkrankheiten.Die bekanntesten Echten Pilze bilden charakteristische Fruchtkörper, z. B. Ständerpilze (Blätterpilze, Leistenpilze, Stachelpilze, Röhrlinge), Bauchpilze, Becherpilze, sowie Fruchtkörper vom Morcheltyp (Lorchel, Morchel). Unter den Echten Pilzen gibt es zahlreiche essbare Arten, man schätzt sie wegen ihrer Geschmacks- und Aromastoffe (z. B. Champignon, Steinpilz, Trüffel). Der Vitamin- und Mineralstoffgehalt entspricht etwa dem der übrigen pflanzlichen Nahrungsmittel. Wild wachsende Pilze sollten jedoch nicht zu oft gegessen werden, da sich in ihnen Schwermetalle stark anreichern können: Cadmium in verschiedenen Champignonarten, Quecksilber in Steinpilzen, Maipilzen, Parasolpilzen, Perlpilzen und Champignonarten. Die radioaktive Belastung der Pilze mit Cäsium 137 (137Cs) hat sich auch Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl kaum verringert; die Pilze nehmen das radioaktive Isotop mit ihrem Myzel aus den obersten Bodenschichten auf. Manche Arten (z. B. Champignon, Schiitakepilze) werden heute gezüchtet; die Schwermetallgehalte von Kulturpilzen sind relativ gering.Unter den Echten Pilzen gibt es viele Arten, die mit dem Wurzelsystem verschiedener Waldbäume (Mykorrhiza) oder mit Algen (Flechten) in Symbiose leben. Eine negative wirtschaftliche Bedeutung kommt den Rostpilzen und Brandpilzen zu, denen jährlich ein erheblicher Teil der Weltgetreideernte zum Opfer fällt, außerdem den Erregern von Pflanzenkrankheiten in Wein- und Obstkulturen und den Schimmelpilzen, die Lebensmittel, Holz, Textilien u. a. verderben beziehungsweise zerstören. - Die Hefen spielen bei der Wein- und Bierbereitung sowie im Bäckereigewerbe eine große Rolle. Andere Schlauchpilze werden industriell in großem Maßstab gezüchtet und zur Gewinnung von Antibiotika, organischen Säuren, Gibberellinen und Enzymen verwendet. Der Mutterkornpilz liefert die Mutterkornalkaloide. - Neben den Bakterien sind die Pilze die bedeutendsten Destruenten, die durch ihre Tätigkeit beim Abbau organischer Substanzen den Stoffkreislauf in der Natur aufrechterhalten.Als Giftpilze bezeichnet man die Fruchtkörper derjenigen höheren Pilze, die bestimmte Substanzen als Stoffwechselbestandteile in so hohen Anteilen enthalten, dass nach ihrem Genuss bei Mensch und Tier Vergiftungserscheinungen hervorgerufen werden. Von den etwa 200 Giftpilzarten der nördlichen gemäßigten Zone sind 40 gefährlich, 10 sind tödlich giftig. Auch nach dem Verzehr zu alter, durch Frost, unsachgemäße Lagerung oder Zubereitung verdorbener Speisepilze können Vergiftungserscheinungen auftreten. Nach der Wirkung der Gifte auf den Organismus sind drei Gruppen der Giftpilze zu unterscheiden: 1) Giftpilze mit Protoplasmagiften (Amatoxine), die schwere, lebensgefährliche Vergiftungen hervorrufen; Wirkung erst nach 6-24 Stunden; Tod durch Kollaps, Herzlähmung oder Leberversagen (z. B. Knollenblätterpilze); 2) Giftpilze mit Nervengiften (Muskarin, Muskimol), die schwere Vergiftungen, jedoch selten mit tödlichem Ausgang, bewirken; Wirkung nach 10 Minuten bis 2 Stunden (z. B. Fliegenpilze, Ziegelroter Risspilz); 3) Giftpilze mit lokal wirkenden Giften; rufen weniger starke Vergiftungen hervor, sind selten tödlich (z. B. Giftreizker, einige Täublinge).P. Mitteleuropas, bearb. v. H. Haas u. a. (Neuausg. 1982);M. Bon: Pareys Buch der P. (a. d. Engl., 1988);M. Flück: Welcher P. ist das? (1995).Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:Infektionen durch Pilze und ProtozoenLebewesen: Die VielfaltOrganismengruppen: Ein Überblick
Universal-Lexikon. 2012.